Gastbeitrag Tages-Anzeiger / Bund: Eritrea ist ein Unrechtsstaat – trotzdem sucht die Schweiz die Kooperation

Abgewiesene eritreische Asylsuchende stellen die grösste Gruppe der Nothilfe-Langzeitbeziehenden dar. Das hat seinen Grund: Freiwillig kehrt niemand nach Eritrea zurück. Zwangsrückschaffungen sind nicht möglich, da in diesem Land minimale rechtsstaatliche Strukturen fehlen.

Diese Menschen erhielten vor Jahren einen Negativ-Entscheid, um den „Pull-Effekt“, d.h. die Sogwirkung aus Eritrea zu bremsen. Das war keine faktenbasierte Entscheidung, sondern politischem und gesellschaftlichem Druck geschuldet. Es wäre längstens an der Zeit, diese Menschen zu legalisieren und sie zumindest vorläufig aufzunehmen.

Lesen Sie hier meinen Gastbeitrag in der Bund-Zeitung:  2022-10-14 Der Bund Eritrea ist ein Unrechtsstaat – CH kooperiert oder im Tages-Anzeiger: 2022-10-14 Tagesanzeiger CH sucht Koop. mit Unrechtsstaat S. 2

Berner Landbote: Menschenwürdige Unterbringung im Rückkehrzentrum Enggistein?

Regierungsrat Philippe Müller erklärt in der Herbstsession des Grossen Rats (9.9.2022), dass die Unterbringung von abgewiesenen Familien in den Rückkehrzentren des Kantons Bern «Wohnungen entspreche». Entspricht es Wohnungen, wenn insgesamt sieben drei- bis fünfköpfige Familien in Enggistein je in einem einzigen Zimmer leben müssen? Die Grossmehrheit dieser sieben Familien sind Nothilfe-Langzeitbeziehende. Das Argument, diese Leute müssten bloss für kurze Zeit so leben, zieht hier nicht. «Pferche» wären wohl das passendere Wort für diese Form der Unterbringung, die grund- und kinderrechtliche Standards mit Füssen tritt.

Hier geht es zum Beitrag: 2022-10-05 Berner Landbote Kann Wut gesund sein

Statistik Sozialhilfestopp (= Nothilfe) für das Jahr 2021

Nothilfe-Langzeitbeziehende sind Menschen, die in unserem ganzen Land verteilt über Jahre in völlig desperaten Verhältnissen leben, meist in Rückkehrzentren.

87% oder 2’433 Menschen sind Langzeitbeziehende (altrechtliche Fälle). Wichtiger Hinweis: Möglicherweise fehlen in dieser Statistik die im Kanton Bern und anderen Kantonen privat Untergebrachten, denn sie haben im Jahr 2021 kein Nothilfe-Geld bezogen. Die neurechtlichen Fälle müssten auch noch dazugerechnet werden.

Hier geht es zur Statistik: 2021 Monitoring Sozialhilfestopp altrechtlich

Eine Mitwirkung für die Passbeschaffung auf der eritreischen Botschaft ist unzumutbar

Ein Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts bestätigt, dass es für eritreische Asylsuchende mit Negativentscheid unzumutbar ist, sich Papiere bei der eritreischen Botschaft in Genf zu beschaffen. Um dort Papiere zu erhalten, muss ein «Letter of regret» (Schuldeingeständnis) unterschrieben werden. Dieses hat bei einer allfälligen Rückkehr Gefängnis zur Folge. Ausserdem wird eine Diaspora-Steuer eingefordert (2%), welche Nothilfe-Beziehende niemals bezahlen können. Ein Gang zur eritreischen Botschaft bedeutet für die Betroffenen also die Quadratur des Kreises. Etwas, das auch das Deutsche Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil im Hinblick auf diese Flüchtlingsgruppe bestätigt. Da es ausserdem keine Zwangsrückschaffungen und kein Rückübernahmeabkommen mit Eritrea gibt, ist diese Forderung eine völlige Farce. Wir hoffen, dass der Kanton Bern von dieser sinnlosen Praxis wieder abkommt und die betroffenen Personen privat untergebracht bleiben können.

Hier finden Sie das Urteil des Deutschen Bundesverwaltungsgerichts: 2022-10-11 Bundesverwaltungsgericht D Passbeschaffung

Hier das Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts: 2022-05-12 VERWALTUNGSGERICHT ZH Unzumutb. Mitw. Eritrea 

News „riggi-asyl“ im Mai 2022: Willkommenskultur versus Unterdrückungskultur

Die Gastfreundlichkeit der Schweiz gegenüber ukrainischen Flüchtlingen ist überraschend und erfreulich. Möge diese Haltung diesen vulnerablen Menschen gegenüber andauern. Gleichzeitig legt die jetzige Flüchtlingskrise die Schwachstellen unserer Asylpolitik offen. Die häufig nicht begründbare Rechtsungleichheit ist stossend, und eine Angleichung in der Behandlung der verschiedenen Flüchtlingsgruppen zwingend nötig. Wie konnte es passieren, dass Geflüchtete nicht wohlwollend aufgenommen, sondern ihnen stattdessen Hindernisse in den Weg gelegt wurden? Lesen Sie dazu das Beispiel des anerkannten Flüchtlings Selahadin A. aus Riggisberg, der seine Familie nach acht Jahren wiedersehen möchte.

Wie lebt es sich im neuen Rückkehrzentrum Enggistein BE? Unsere Asylbehörden haben keine einfache Aufgabe, die gesetzlichen Vorgaben zu erfüllen. Lesen Sie dazu einen kurzen Bericht.

Wichtige Neuigkeiten: Am 3. Mai 2022 brachten SRF 10 vor 10 und am 4. Mai 2022 die Republik-Zeitung eine Reportage zu einem aus der Schweiz weggewiesenen Eritreer. Er ist einer der wenigen, der auf Anordnung unserer Behörden freiwillig nach Eritrea zurückkehrte und bei seiner Rückkehr gefoltert wurde (siehe Links weiter unten). Inzwischen ist er wieder in der Schweiz und wurde als Flüchtling anerkannt. Uns ist die Korrelation der Rückkehrbereitschaft von abgewiesenen Asylsuchenden aus Eritrea und der Angst vor Repression in ihrer Heimat seit langem bekannt. Deshalb kehrt auch praktisch niemand freiwillig zurück!

Hier geht es zu den News: 2022-05-06 Neuigkeiten von riggi-asyl Mai 2022

Umstrittene Asylpraxis – Erstmals erwiesen: Eritrea-Rückkehrer wurde gefoltert

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist mit dem offiziell ersten Folter-Fall eines Schweizer Eritrea-Rückkehrers konfrontiert. Man prüfe nun den Sachverhalt, sagt das Amt.

Das mehrfach preisgekrönte Recherchekollektiv REFLEKT schreibt:

«Für unsere grosse Eritrea-Recherche hatten wir 2019 den damals 32-jährigen Eritreer Yonas (Name geändert) aufgespürt. Er erzählte uns, wie er in der Schweiz einen negativen Asylentscheid erhalten hatte, wie er nach Eritrea zurückgekehrt war und dort gefoltert wurde. Nun wartete er in Griechenland darauf, erneut in die Schweiz zurückzukehren. Denn solange er sich ausserhalb der Schweiz befand, interessierten sich die hiesigen Behörden nicht für seinen Fall.
Also sind wir mit Yonas in Kontakt geblieben und haben seinen Weg aus der Ferne verfolgt. Bis er es tatsächlich schaffte und im Sommer 2021 erneut illegal in die Schweiz einreisen konnte. Im Dezember erhielt Yonas Asyl. Vieles weist darauf hin, dass das SEM die Aussagen des Eritreers als glaubhaft und ihn selbst als glaubwürdig einschätzt. Damit würde die Schweiz erstmals offiziell anerkennen, dass eine von ihr nach Eritrea weggewiesene Person nach der Rückkehr gefoltert und inhaftiert worden ist.
Doch was bedeutet das für die Asylpraxis? Und wie geht es Yonas heute?»

Hier geht es zur 10 vor 10 – Sendung: https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittene-asylpraxis-erstmals-erwiesen-eritrea-rueckkehrer-wurde-gefoltert?mc_cid=3365aa2c73&mc_eid=ba65eaf001

Hier der Bericht in der Republik: 2022-05-04 Republik Ein Asylfall der alles ändern Christian Zeier