Kommentar: In der Neuen Zürcher Zeitung wird das Schicksal weggewiesener Asylsuchender aus Eritrea porträtiert, die von Seiten unserer Aktionsgruppe Nothilfe begleitet werden: «Hinter der Statistik verbergen sich schwierige Schicksale.»
Wir sollten unseren Gerichten vertrauen können. Tatsächlich ist es die Meinung des Bundesverwaltungsgerichts St. Gallen, dass diese Menschen gefahrlos in ihr Heimatland zurückkehren könnten. Das BVGer St. Gallen schreibt in seinem Grundsatzurteil vom 10.7.2018 zum Nationaldienst in Eritrea, dass es nur wenig gesicherte Informationen zur Verfügung hätte. Obwohl es den Nationaldienst als Zwangsarbeit anerkennt «Die Bedingungen im eritreischen Nationaldienst sind folglich als Zwangsarbeit im Sinne von Art. 4 Abs. 2 EMRK zu qualifizieren …», fällt es den Entscheid, dass eine Wegweisung zumutbar sei. Es gesteht ein, dass im Nationaldienst «Misshandlungen, Folter und sexuelle Übergriffe» verbreitet sind, relativiert aber, dass sie nicht «flächendeckend» vorkämen.
Ein Exponent des Schweizerischen Unterstützungskomitee für Eritrea (Suke), Hans Furrer, erklärt, dass es in Eritrea Menschenrechtsverletzungen gebe, aber nicht mehr oder weniger als anderswo in Afrika. Diese Aussage ist nicht nur zynisch, sondern auch falsch. Immerhin werden im UNO-Menschenrechtsbericht von Juni 2016 800 aus Eritrea geflüchtete Menschen interviewt, die eine katastrophale Situation zeigen. Auch wenn tendenziell Fluchtgründe wohl eher dramatisiert werden als das Gegenteil, ist nicht davon auszugehen, dass 800 Menschen Unwahrheiten verbreiten.
Authentisch wird im Bericht der Neuen Zürcher Zeitung die Situation von Berhe Goitum dargestellt, auch das Dilemma derjenigen Weggewiesenen, die in ein Nachbarland ausweichen, wie Almaz es erfolglos versuchte.
Die Aussage der SEM-Sprecherin, die erklärt, dass die unerlässlichen Grundlagen eines menschenwürdigen Daseins mit dem Nothilferegime gesichert seien, ist verstörend. Ist es menschenwürdig, Menschen auf lange Zeit in engen, stickigen Kollektivunterkünften einzupferchen? Sie nicht arbeiten zu lassen? Sie der Willkür auszusetzen (sie jederzeit in Administrativhaft nehmen zu können)? usw. Es nützt wenig, wenn die SEM-Sprecherin sagt, dass Volk und Parlament das Nothilferegime gewollt hätten. Kaum jemand rechnete damals im Jahr 2008 mit sehr vielen Langzeitfällen.
Die Chancen auf Erfolg bei Härtefallgesuchen sind tatsächlich enorm klein. Ein Härtefallgesuch ist die Quadratur des Kreises: Jemand muss – mit Status negativ – für ein Härtefallgesuch gut integriert sein, darf sich aber nicht ausbilden. Er sollte sozialhilfeunabhängig sein, darf aber nicht arbeiten. Er darf der Kollektivunterkunft nicht fernbleiben, sonst gilt er als untergetaucht und wird kriminalisiert. Ein Härtefallgesuch würde so für alle Zeiten unmöglich (Status: krimineller Flüchtling).