Gastbeitrag Tages-Anzeiger / Bund: Eritrea ist ein Unrechtsstaat – trotzdem sucht die Schweiz die Kooperation

Abgewiesene eritreische Asylsuchende stellen die grösste Gruppe der Nothilfe-Langzeitbeziehenden dar. Das hat seinen Grund: Freiwillig kehrt niemand nach Eritrea zurück. Zwangsrückschaffungen sind nicht möglich, da in diesem Land minimale rechtsstaatliche Strukturen fehlen.

Diese Menschen erhielten vor Jahren einen Negativ-Entscheid, um den „Pull-Effekt“, d.h. die Sogwirkung aus Eritrea zu bremsen. Das war keine faktenbasierte Entscheidung, sondern politischem und gesellschaftlichem Druck geschuldet. Es wäre längstens an der Zeit, diese Menschen zu legalisieren und sie zumindest vorläufig aufzunehmen.

Lesen Sie hier meinen Gastbeitrag in der Bund-Zeitung:  2022-10-14 Der Bund Eritrea ist ein Unrechtsstaat – CH kooperiert oder im Tages-Anzeiger: 2022-10-14 Tagesanzeiger CH sucht Koop. mit Unrechtsstaat S. 2

Eine Mitwirkung für die Passbeschaffung auf der eritreischen Botschaft ist unzumutbar

Ein Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts bestätigt, dass es für eritreische Asylsuchende mit Negativentscheid unzumutbar ist, sich Papiere bei der eritreischen Botschaft in Genf zu beschaffen. Um dort Papiere zu erhalten, muss ein «Letter of regret» (Schuldeingeständnis) unterschrieben werden. Dieses hat bei einer allfälligen Rückkehr Gefängnis zur Folge. Ausserdem wird eine Diaspora-Steuer eingefordert (2%), welche Nothilfe-Beziehende niemals bezahlen können. Ein Gang zur eritreischen Botschaft bedeutet für die Betroffenen also die Quadratur des Kreises. Etwas, das auch das Deutsche Bundesverwaltungsgericht in einem Urteil im Hinblick auf diese Flüchtlingsgruppe bestätigt. Da es ausserdem keine Zwangsrückschaffungen und kein Rückübernahmeabkommen mit Eritrea gibt, ist diese Forderung eine völlige Farce. Wir hoffen, dass der Kanton Bern von dieser sinnlosen Praxis wieder abkommt und die betroffenen Personen privat untergebracht bleiben können.

Hier finden Sie das Urteil des Deutschen Bundesverwaltungsgerichts: 2022-10-11 Bundesverwaltungsgericht D Passbeschaffung

Hier das Urteil des Zürcher Verwaltungsgerichts: 2022-05-12 VERWALTUNGSGERICHT ZH Unzumutb. Mitw. Eritrea 

Umstrittene Asylpraxis – Erstmals erwiesen: Eritrea-Rückkehrer wurde gefoltert

Das Staatssekretariat für Migration (SEM) ist mit dem offiziell ersten Folter-Fall eines Schweizer Eritrea-Rückkehrers konfrontiert. Man prüfe nun den Sachverhalt, sagt das Amt.

Das mehrfach preisgekrönte Recherchekollektiv REFLEKT schreibt:

«Für unsere grosse Eritrea-Recherche hatten wir 2019 den damals 32-jährigen Eritreer Yonas (Name geändert) aufgespürt. Er erzählte uns, wie er in der Schweiz einen negativen Asylentscheid erhalten hatte, wie er nach Eritrea zurückgekehrt war und dort gefoltert wurde. Nun wartete er in Griechenland darauf, erneut in die Schweiz zurückzukehren. Denn solange er sich ausserhalb der Schweiz befand, interessierten sich die hiesigen Behörden nicht für seinen Fall.
Also sind wir mit Yonas in Kontakt geblieben und haben seinen Weg aus der Ferne verfolgt. Bis er es tatsächlich schaffte und im Sommer 2021 erneut illegal in die Schweiz einreisen konnte. Im Dezember erhielt Yonas Asyl. Vieles weist darauf hin, dass das SEM die Aussagen des Eritreers als glaubhaft und ihn selbst als glaubwürdig einschätzt. Damit würde die Schweiz erstmals offiziell anerkennen, dass eine von ihr nach Eritrea weggewiesene Person nach der Rückkehr gefoltert und inhaftiert worden ist.
Doch was bedeutet das für die Asylpraxis? Und wie geht es Yonas heute?»

Hier geht es zur 10 vor 10 – Sendung: https://www.srf.ch/news/schweiz/umstrittene-asylpraxis-erstmals-erwiesen-eritrea-rueckkehrer-wurde-gefoltert?mc_cid=3365aa2c73&mc_eid=ba65eaf001

Hier der Bericht in der Republik: 2022-05-04 Republik Ein Asylfall der alles ändern Christian Zeier

 

Ein vergiftetes „Friedensabkommen“ am Horn von Afrika

Die Hoffnungen, welche mit dem Friedensabkommen zwischen dem äthiopischen Premierminister Abiy Ahmed und dem eritreischen Präsidenten Isaias Afewerki 2018 am Horn von Afrika kurzzeitig aufgeflackert waren, hatten rasch einer desillusionierenden Wirklichkeit Platz gemacht. Ethnische Konflikte spalteten die Bevölkerung Äthiopiens zusehends, und in Eritrea hat sich sowohl politisch wie auch menschenrechtlich nichts zum Besseren gewendet. Lesen Sie hier weiter:

Eritrea u. Äthiopien Expertise Annelies Müller Give-A-Hand Okt. 2021

Reportage in der Karwoche – Zurück in die Diktatur

Eritrea «Zurück in die Diktatur»

In der Karwoche veröffentlichte die Republik die dreiteilige Eritrea-Reportage «Zurück in die Diktatur» des gemeinnützigen Berner Recherchekollektivs Reflekt.

Seit Jahren ist Eritrea das wichtigste Herkunftsland von Asylsuchenden in der Schweiz. Weil die Behörden die Asylpraxis schrittweise verschärft haben, müssten immer mehr Eritreerinnen und Eritreer in ihre Heimat zurückkehren. Freiwillig aber geht fast niemand und unfreiwillige Rückkehrer akzeptiert das eritreische Regime nicht. Deshalb werden die politischen Forderungen immer lauter, die sogenannte «freiwillige Rückkehr» zu fördern und mehr abgewiesene Asylsuchende zur Ausreise zu bewegen. Doch was erwartet die Menschen, die zurückkehren müssen? Weshalb kehrt überhaupt jemand in eine Diktatur zurück? Und wie schlimm ist die Menschenrechtslage in Eritrea wirklich?

https://reflekt.ch/eritrea/

 

Zurück in die Diktatur – Einleitung: 3-teilige Reportage

Die Schweizer Behörden weisen immer mehr Asylsuchende aus Eritrea ab. Sie könnten ohne Probleme in ihr Heimatland zurückkehren, heisst es in Bern. Doch stimmt das? Erstmals reden Rückkehrer öffentlich. Eine Recherche in drei Teilen.

Republik Auftakt zur Serie (8. April): https://www.republik.ch/2020/04/08/zurueck-in-die-diktatur

 

Teil 1: Was geschieht nach der Rückkehr? Hinter dem Schleier des Nichtwissens.

Die Schweiz tut alles, damit weggewiesene Asylsuchende aus Eritrea in ihr Land zurückkehren. Was mit ihnen dort passiert, weiss in Bern aber niemand so genau. Jetzt sprechen erstmals Eritreer öffentlich darüber, wie es ihnen ergangen ist.

Republik Teil 1 (8. April): https://www.republik.ch/2020/04/08/hinter-dem-schleier-des-nichtwissens

 

Teil 2: Die Zermürbungsstrategie oder: Wie schlecht muss das Leben in der Schweiz sein, damit die Eritreer gehen?

Willkürliche Strafen, Gefängnis, Zwangsarbeit: Das droht abgewiesenen Asylsuchenden, die aus der Schweiz nach Eritrea zurückkehren. Trotzdem gehen manche von ihnen freiwillig zurück. Warum?

Republik Teil 2 (9. April): https://www.republik.ch/2020/04/09/die-zermuerbungs-strategie-oder-wie-schlecht-muss-das-leben-in-der-schweiz-sein-damit-die-eritreer-gehen

 

Teil 3: Willkür, Folter, Zwangsarbeit: Wie schlimm ist es wirklich?

Mit höchstrichterlichem Segen weisen die Schweizer Behörden immer mehr Asylsuchende aus Eritrea ab und versuchen sie zur Rückkehr zu bewegen. Hat sich die Lage dort derart zum Guten verändert?

Republik Teil 3 (10. April): https://www.republik.ch/2020/04/10/willkuer-folter-zwangsarbeit-wie-schlimm-ist-es-wirklich

 

Podcast über die Recherche «Zurück in die Diktator»

Wie lässt sich recherchieren, was weder die Regierung in Eritrea noch die Schweizer Asylbehörden veröffentlicht haben wollen? Im Podcast «Aus der Redaktion» erzählen Republik-Journalistinnen von den Geschichten hinter der Geschichte.

Republik Podcast zur Serie: https://www.republik.ch/2020/04/08/podcast-zurueck-in-die-diktatur

 

Kommentar

Die Resultate der Recherche sind politisch brisant und beweisen, dass aufgrund der aktuellen Asylpraxis Personen aus Eritrea mit einem negativen Asylentscheid unverantwortlich zur Rückkehr gezwungen oder animiert werden. Die Reportage zeigt auf, dass die Schweizer Behörden nicht in der Lage sind, die Risiken einer Rückkehr von eritreischen Asylsuchenden einzuschätzen. Mit der Praxisverschärfung des Staatssekretariats für Migration (SEM) im Juni 2016 und den damit verbundenen immer zahlreicheren Wegweisungen nach Eritrea riskiert die Schweiz gegen das Non-Refoulement-Prinzip zu verstossen.